Vision vom

neuen Verständnis Jesus

 

1.

Nachdem der Papst angesichts des Schleiertuches vom Auferstanden zu neuen Fragen Anstoß gegeben hatte, setzte sich in ein Denkprozess in Bewegung, der zu einem völlig neuen christlichen Selbstverständnis und damit aufgeklärtem Gottes- bzw. Weltverständnis führte, das in eine schöpferisch vernünftige Lebensweise mündete.

2.

Anfangs war der Aufruhr groß. Die Gutgläubigen und Konservativen befürchteten, dass der Papst am historischen Jesus und damit auch an anderen biblischen Gestalten zweifeln würde, die doch der letzte Halt ihres Glaubens waren, warfen ihm Doketismus vor. Dabei wurde weitgehend übersehen, dass der geheimnisvoll vergeisterte Glaube an himmlische Geschichtswesen ohne weltliche Realität längst die eigentliche Vergeisterung war. Auch wenn die Diskussion ewig weiterging, setzte sich allmählich ein Denken durch, in dem der Logos/das Schöpferwort in menschlicher Gestalt als die Geschichts-wirk-lichkeit begriffen wurde. Damit waren die Denkfessel gelöst, um die Realität des lebendigen Offenbares auch im gegenwärtigen Weltbild kausalen Werdens und kreativen Zufalles wahrzunehmen.

3.

Auch bei den Intellektuellen und Naturwissenschaftlern war Anfangs das Geschrei groß. Wie bei Kardinal Schönborn Äußerung fürchtete man nun die päpstliche Zuflucht in einer modernisierten Form von die naturwissenschaftliche Logik verneinendem Kreationismus. Erst langsam man merkte man, dass es beim Logos/Schöpfungswort nicht um einen intelligenten Designer geht, der sich alles irgendwie geheimnisvoll planend ausgedacht hat, durch Hokuspokus hinzaubert, sondern im monotheistischen Denken von Anfang an der Sprecher unaussprechlich bleibt. Vielmehr allein der Sohn/das lebendige Schöpfungswort den Vater verstehen lässt. Die kreative Vernunft aller sichtbaren Evolution auf den Wille des einen Schöpfers schließen lässt. Nachdem klar wurde, dass die in allen wissenschaftlichen Beschreibungen und biologischen Untersuchungen deutlich werdende kosmische Intelligenz des Lebens letztlich identisch war mit der Weltvernunft des Johannes. Wie gottesfürchtige Griechen das philosophische Weltbild der Antike zu einem neuen monotheistischen Bund, der frohen Botschaft von Jesus, Befreiung von tauber Gesetzlichkeit weiterführten, begann sich der Kopf in Bewegung zu setzen.

4.

Das Denken über den Logos, ein lebendiges Schöpfungswort bzw. Sohn: Grundlage des Glaubens an den einen selbst unsichtbaren Schöpfer konnte sich letztlich erst durchsetzen, als dessen Realität im naturwissenschaftlichen Weltbild neu thematisiert wurde, die schöpferisch-kreative Vernunft allen Werdens in Mikro- und Makrokosmos, wie in Zeit und Raum zur gleichzeitigen Tagesordnung von Theologie und Naturwissenschaft wurde. Wären doch sonst alle Glaubensaussagen erneut in die Leere oder eine persönliche Vergeisterung gefallen.

5.

In dem sich dann entwickelnden christlichen Weltbild wurden die Wunder und biblischen Geschichten nicht mehr als alte allegorische Mythen, propagandistische Literaturübernahmen oder tiefenpsychologische Taschenspielertricks vom Tisch gewischt, sondern als Geschichtsbegebenheiten gelesen. Während noch Mitten im Prozess der Aufklärung die wundersamen Gestalten und Geschichten angeblich dem wissenschaftlichen Weltbild im Wege standen, allenfalls als eine völlig andere Sprache gelesen wurden, wird heute in vernünftiger Form verstanden, ohne alles bis in Einzelne ausdeuten zu wollen.

 

 

6.

Um den lebendigen Offenbarer zu sehen, über die auf den Gott der Väter verweisende Vernunft allen natürlichen Werdens nachzudenken, bedarf es nun keiner neuen wissenschaftlich spektakulärer Theorien oder spiritueller Versenkung. Keiner sucht mehr in Schlupfwinkeln des Un- oder Übernatürlichen nach der Handschrift des Schöpfers. Der Blick aus dem Fenster in die blühende, nach Leben rufende Natur, die Betrachtung des Frühlings und des Sonnenaufganges führt nicht in Pantheismus, sondern liefert im neuen Sohns- und christlichen Selbstbewusstsein Sinn gebende bzw. Wert setzende Offenbarung. Das erweiterte Wissen, dass diese kreative Ordnung in den unausdenkbaren Weiten des gesamten Kosmos ebenso funktioniert, wie in den kleinsten Bauteilen unseres Körpers, macht dann die Ehrfurcht vor dem Wort des Creators nur noch größer.

7.

Nachdem bisher der Blick in die Biologie nur Rassenlehren und Sozialdarwinismus hervorgebracht hatte, die dann noch im 21. Jahrhundert das gesamte Wirtschaftsleben bestimmte, brachte das biblische Neuverständnis auch eine neues Verständnis der Naturgesetzlichkeit des Menschen als schöpferische Norm. Da auch in den Geboten Moses oder der Bergpredigt Jesus keine menschliche Moralpredigt oder ein selbstgefälliger Altruismus, sondern eine Ausformulierung schöpferisch-menschengerechter –somit in neuer Denkweise natürlich/vernünftiger- Weisheitsnorm gesehen wurde, begann auch ein Nachdenken über den im Alltag umzusetzenden Schöpfungsauftrag des Menschen.

8.

Wer inzwischen Sonntags „Jesus geh voran singt“ tut dies im vollen Bewusstsein, um ab Montag nach schöpferischer Vernunft –ökologisch und weltökonomisch- zu leben.

 

Längst ist auch dem Intellekt bewusst, dass alles Wissen um Fehlentwicklungen und gut gemeint ökologische Forderungen oder Hoffnungen auf Freiheit und soziale Gerechtigkeit, nur ein Hauch in den Wind waren, solange dahinter nicht das Wort Gottes verstanden wurde. Befähigt durch den Glaube, die Gewissheit eines gemeinsame Werte und schöpferischen Sinn setzenden Creators, hat sich ein neues globales Weltbewusstsein eingestellt, das die verschiedenen Glaubenstraditionen nicht vereinnahmt oder verneint, sondern sich der jeweiligen Vernunft bewusst ist.

 

Am Rande des Abgrundes hat sich eine neue Wirtschaftsweise eingestellt, die nicht mehr sinnentleert nur nach dem Eigennutz des Kapitals fragt, arbeitsfähige Menschen arbeitslos macht, weil jeder nur dem jeweiligen Egoismus frönt. Vielmehr trachtet der moderne Mensch nach der Verwirklichung schöpferischer Vernunft, setzt sein Vermögen dafür ein, die Welt in kreativer Weise weiterzuentwickeln. In einem neuen Bewusstsein wird die schöpferische Leistung, ein dem Logos gerechtes Leben dabei nicht mehr als Belastung verstanden, sondern bringt Lustgewinn.

9.

Die alten Traditionen und Riten haben dabei keineswegs ihre Bedeutung verloren. Sie werden nicht mehr als psychologische Augenwischerei zur Moralisierung oder persönliche Zufriedenstellung der Menschen angesehen, sondern als vernünftige Anwendungen, um die Menschen in Gemeinschaft zur schöpferischen Vernunft zu bringen, sie zu befähigen in gesellschaftlicher Ordnung vernünftig zu leben.

10.

Die Kirche wird als Bauwerk schöpferischer Vernunft gelebt. Eine Gemeinschaft von Menschen, die in Ein-sicht auf eine lebendige Vernunft Gottes setzen, die seit ihrer Kindheit ein vertrautes Gesicht hat und die sie im Leben verwirklichen wollen.

Der wird Papst als Stellvertreter der Vernunft auf Erden verstanden….