Gerhard
Mentzel
Schänzelstrasse 9
67377 Gommersheim Ostern 2011
An
den Heiligen
Vater
Papst
Benedikt XVI
Joseph Ratzinger
Via della Concilazione
SCV-00120 Citta Del Vaticano
Bitte durch Anstoß der Realisierung „schöpferischer
Vernunft“ in wissenschaftlicher Welterklärung den historischen, wie
hoheitlichen und heute lebendigen Jesus: Die Vernunft des christlichen Glaubens
zu begründen. Aus religiöser und weltanschaulicher Relativität zu einer
schöpfungsvernünftigen Verhaltensweise führen.
Sehr
verehrte Heiligkeit,
sehr
geehrter Herr Prof. Joseph Ratzinger,
unser historisches Jesus- und Glaubensverständnis
entscheidet, ob wir in heutiger Welterklärung eine gemeinsame schöpferische Vernunft-Bestimmung
bzw. ein „ewiges schöpferisches Wort“ verstehen oder die aufgeklärte Welt den
Grund des christlichen Glaubens weiter als gestrigen Mythos sieht und er damit
immer bedeutungsloser wird.
Da Ihre
Sicht zutrifft, dass die über aller menschlichen Relativität stehende und am
Anfang als lebendiges Wort geltende „schöpferische Vernunft“ im Licht unserer
Vernunft aus der Ordnung aller Natur abzulesen ist, um sie im Kontext der
monotheistisch-christlichen Kultur zu halten, ist jetzt die Zeit, dies zu tun.
Wenn jemand den Anstoß geben kann, die heutige
Sprachverwirrung zu überwinden, um in aufgeklärter Weise zu hören und damit eine Lebensweise nach schöpferischer Vernunft als ewigem Wort
(für Christen Jesus) zu realisieren. Dann sind Sie es.
In Ihrem
neuen Jesusbuch haben Sie unbeirrt von aller heute geltenden
Hochschul-Hypothese, die meist nur von einem verherrlichten Heilsprediger mit
zufälligem Namen Jesus ausgeht, an der hoheitlichen Person Jesus, den biblisch
bebilderten Bedeutungsinhalten und damit der Begründung des neuen Bundes
(Monotheismus) festgehalten. Doch solange Sie sich dabei nur auf Dogmen
beziehen, die Welt im Glauben lassen, dass am Anfang ein junger Jude war, der
als lebendiges Wort, schöpferische Vernunft wie ein geheimnisvolles Gottesbild
gelten sollte, ist es den Kritikern nicht zu verdenken, wenn sie die
christlichen Lehre als weitgehend inhaltloses Kunstprodukt der Kirche betrachten,
das gegen alle Vernunft steht.
Was nutzt
ihre Osterpredigt über den Auferstandenen als eine schöpferische Vernunft
(Grundprinzip des Universums), an der sich der Mensch zu orientieren hätte, wenn
in der Osterausgabe des SPIEGEL auch in Bezug auf Ihr an Ostern erschienenes
Buch nur noch von einem politischen Befreiungshelden
zu lesen war. Ein „zorniger Rebell Gottes“, der gemeinsam mit seinem Fischer-Freund
Petrus gegen die römische Großmacht und Steuerlast aufbegehrt hätte. (Was
bleibt ist dann ein blasser Bin Laden, der nach seiner Hinrichtung durch eine heutige
Großmacht zur gleichen Zeit, ähnlich wie Jesus, als angeblicher „Rebell Gottes“
geSPIEGELT
wurde und als Mythos bei vielen Moslems weiterleben wird.) Doch wie könnte ein charismatischer
„Maurersohn“, der nur alttestamentlichen
Che Guevaras nachgestellt
und mit entsprechenden Texten als Guru verherrlicht wurde, wie es in Berufung
auf Hochschullehrer im OsterSPIEGEL steht, Grund des neuen,
nun universalen monotheistischen Bewusstseins mit all seiner eschatologischen
Bedeutung für die gesamte gesetzesgläubige, wie heidnische Welt gewesen sein,
wie Sie das in ihren Predigten zurecht betonen?
Um wieder zu einem einheitlichen Welt- und Glaubensverständnis
zu finden: In dem was uns Astrophysiker als kreativen Kosmos und
Evolutionsbiologen als umfassende Erklärung beschreiben, eine kulturgerecht
weiterzudenkende verant-wort-lich machende „schöpferische
Bestimmung“ zu verstehen, die als ewiges Wort und geschichtlicher Glaubensgrund
über den Materialismus des modernen Monismus und relativistischen Humanismus menschlicher Ismen
hinausgeht, bedarf des Ihrer Stimme.
Allein die
unzähligen Kommentare zu Ihren beiden Jesusbüchern zeigen, welche kreative
Kraft von Ihnen ausgehen könnte. Bitte fordern Sie als Kirchenoberhaupt und
wissenschaftliche Autorität bei ihrem Deutschlandbesuch die aufgeklärte Welt auf,
die „schöpferische Vernunft“ nicht nur als Thema altmetaphysischer Kirchendogmen
oder platonischer Lehren zu sehen, sondern sie als echt historischen
Glaubensgrund, wie in heutiger Welterklärung nachzudenken.
Es geht
nicht darum, das biblische Wort oder den historischen Jesus bzw. die
beschriebene Bedeutung in Frage zu stellen, sondern das Gegenteil. Durch den Anstoß, nicht in Ausblendung, sondern in konsequenter
Auswertung heute gegebenen geistesgeschichtlichen Wissens die in anfänglicher
rationaler Welterklärung erkannte „schöpferische Vernunft“ als offenbaren Grund
christlichen und monotheistischen Glaubens nachzudenken, würden Sie nicht
nur vielen ihrer Kritiker entgegenwirken.
Als freier
Beobachter sehe ich, dass nach wie vor das meist buchstäbliche Verständnis der
Bibel, der dort abgebildeten Gestalten sowie Mythenglaube und meist
vermenschlichte Gottesbilder, die man vergeblich beweisen will, dem Verstand
„schöpferischer Vernunft“ im Weg stehen. Keine natürliche Theologie führt
weiter, wenn nur ein Wanderprediger, der als vorgesetztes Gottesbild
persönlichen Glaubens gelten soll, an den Anfang gestellt wird. Auch
Überlegungen der heutigen Prozesstheologie, das logische Werden als Sprache
Gottes wieder verstehen zu wollen, bleiben neben einem angeblichen Reformjuden als
derzeit oft einziger Hypothese bedeutungslos. Nur von einem durch Sie anzustoßenden aufgeklärten Verständnis der
christlichen Wurzel (die nicht einfach der Unsagbare selbst, sondern dessen
Offenbarung/Verständnis ist), lassen sich die Hindernisse ausräumen, die ein
mündiges Hören ermöglichen.
Ich bin nur
ein Laie, der frei von Lehrhypothesen seit Jahrzehnten das wachsende Wissen um
biblische Bedeutungsinhalte, die Wuzeln des christlichen Glaubens und ihre
philosophisch-theologischen Begleitumstände bzw. Problemstellungen auswertet.
Ich tue dies nicht aus religiösen Motiven, sondern weil ich erkenne, dass
unsere Enkel in heutiger Relativität der Werte keine Zukunft haben. Wie alle
wissenschaftlich-politisch bzw. kommunikativ vereinbarte Vernunft eine
gutgemeinte, aber ebenso pharisäerhafte Rede bleibt, wie nur die Berufung auf
alte Gerüchte und traditionelle Glaubensgesetze. Wenn auf gemeinsamer Basis
nicht gleichzeitig das lebendige Wort/zeitgemäße Bestimmung bzw. „schöpferische
Vernunft“ vergegenwärtigt werden kann.
Nachdem ich unzählige
Ihrer Schriften – allein fünf Bücher mit sehr unterschiedlichen Ansichten über
Ihren ersten Band „Jesus von Nazareth“ - gelesen habe, sind es insbesondere die
kritischen Stimmen gegenüber Ihrem angeblich unhistorischen Jesusbild und gleichzeitig
Ihrem Ruf nach Geltung einer höheren Vernunft jenseits heutiger Relativität,
die mich bewegen. Mich Sie erneut bitten lassen, der Welt den Auferstandenen
nicht nur zu verkünden, sondern einen denkenden Verstand anzustoßen. All Ihre
Belege über die christlichen Bedeutungsaussagen oder das einzigartige Wesen
Jesus und das Denken der Kirchenväter bestätigen mich: Sie erneut von ganzem
Herzen zu bitten, das historische Wesen Jesus von kirchlicher Wissenschaft dort
nachdenken zu lassen, wo heute die Natur- und Geschichts- bzw. Geisteswissenschaften
eine umfassende vernünftige Welterklärung abgeben, inzwischen gar einen
natürlichen Sinn und Zweck erklären.
Wie Sie bereits
in meinem Brief vor Ihrem Besuch beim Leintuches des Auferstandenen auf dem Weg
nach Deutschland gebeten, wäre es eine Aufgabe für die heutige theologische
Wissenschaft, gleichzeitig die Vernunft deutlich zu machen, die sich hinter der
menschlich-kulturgerechten Ausdrucksweise des monistisch erklärten Logos/Wortes
verbirgt. Einer kreativen Weltvernunft, die in der frühen Christenheit galt und
die die Kirche im Kanon zum kulturgerechten, damit vernünftigen Ausdruck
brachte.
In der Osterbotschaft
sprachen Sie eine Krise der Menschheit an, die tiefe
Veränderungen bedarf. Damit Ihr „Urbi et
Orbi“ segensreich wird, bitte ich Sie beim Besuch im Land alter Denker ein
Denken über eine schöpferische Vernunft anstoßen, die man in den Schulen der
Welt vermittelt: Den Auferstandenen so als universale Wahrheit verstehen lässt,
die mündige Menschen jeweils kulturgerecht in gemeinsame schöpferische Verant-wort-ung nimmt.
Entsprechend
Ihrer großartigen intellektuellen Begabung, Ihrem reichhaltigen Wissen um die
Wuzeln unseres Glaubens und Ihre Wortstärke sowie Autorität haben Sie die einmalige
Chance, mehr als nur eine Erweiterung
des Vernunftbegriffes anzustoßen. Möge Ihnen der selbst Unsagbare hierzu noch
lange die notwendige kreative Kraft und den Mut geben. Und auch dabei helfen,
dass diese Überlegungen zur Realisierung „schöpferischer Vernunft“ als Ihrem
Lebensthema trotz aller Widrigkeiten den Weg zu Ihnen finden.
Mit
hochachtungsvollen Grüßen aus der Pfalz
Gerhard
Mentzel
Auch über
eine Antwort oder kurze Argumentation, warum meine Überlegungen nicht zu
realisieren oder falsch sind, würde ich mich freuen.
Anlage:
Argumente,
die in einer begonnenen „Vision schöpferischer Vernunft“ nach dem päpstlichen
Paradigmenwechsel mit der ich auch der Redaktion des SPIEGEL
und dem Herder-Verlag Anstoß geben will, Ihren Vernunftbegriff zum Thema zu
machen, weiter begründet werden.
Die beiden
bisherigen Brief an Sie, zahlreiche Briefe an Prof Klaus Berger und weitere
Theologen sowie ältere Überlegungen: www.theologie-der-vernunft.de
Anlage zur Bitte, ein Nachdenken zur Realisierung
schöpferischer Vernunft gegen religiöse und weltanschauliche Relativität, damit
eine Lebensweise in „schöpferischer Vernftbestimmung“
anzustoßen
1. Schöpferische Vernunft neu in aller Natur nach- und
kulturell weiterdenken
Was bringt
es, wenn Ihre wissenschaftlichen Kollegen in „concilium“
in Bezug auf Ihren Vernunftbegriff das Naturrecht als wichtigste traditionelle
Grundlage der kath. Verhaltenslehre und nicht verhandelbares universales Gesetz
gegen alle Relativität stellen? Wenn sie das weder mit dem, was heute allgemein
als Wort Gottes gilt, noch dem historischen Grund des christlichen Glaubens in
Verbindung bringen und in der Gegenwart zu verstehen geben.
Warum sollen
wir uns damit zufrieden geben, dass die säkularisierte Natur nichts mehr zu
sagen hätte, wenn heute die Evolutionslehre nicht nur alle natürlichen Prozesse
wieder im kreativen (schöpferischen)
Sinn als zweckvoll (vernünftig)
belegt, sondern inzwischen wieder von einem „extern“ vorgegebenen Sinn aller
Natur spricht? So das verdeutlicht, was in der Antike als Logos/Vernunft galt
und im Weiterdenken als lebendiges schöpferisches Wort verstanden wurde.
Nachdem atheistische Wissenschaftler heute im evolutionären Geschehen selbst
den Kult, der für die westliche Welt in der Kirche erwachsen ist, als
vernünftig für eine funktionierende menschliche Gemeinschaft beschreiben. Wäre
es dann nicht eine Aufgabe für die Kirche, hier wieder ein lebendiges Wort,
„schöpferischen“ Wille deutlich zu machen?
2. Im Rollenwechsel das geschichtliche Wesen Jesus
zukunftsgerecht als lebendiges Wort/Vernunft in Person verstehen
Mir ist
bewusst welchen Aufschrei es mit sich bringen wird, wenn Sie anregen, die
Existenz eines inzwischen gar von Atheisten in Herz geschlossenen
Heilspredigers als schöpferische Vernunft (kreative Vernünftigkeit) einer
Wissenschaft nachzudenken, die bisher zur Bewahrung der vermenschlichten Gottesbilder
abgelehnt wurde. Hier gar das
schöpferische Wort verstehen zu wollen, das bisher meist in wundersamen
Naturbrechungen oder geheimnisvollen Eingebungen begründet wurde und als das
dann die Glaubenstexte selbst galten. Doch wie sonst ist der heutigen Welt die
Vernunftgrundlage der christlichen Lehre, das in Jesus lebendige Wort, dessen
irdischer Vertreter sie sind, wieder der Welt verständlich zu machen und zum
Leben zu bringen?
Während
Ihnen namhafte kath. Theologen in einem beim kirchlichen Publik-Forum
erschienen Band „Die Rolle rückwärts mit Benedikt XVI. – wie der Papst die
Zukunft der Kirche verbaut“ vorwerfen, auf konservative Weise an vorgestrigen
Dogmen bzw. Christologienlehren festzuhalten und die
Menschen aus der Kirche zu verjagen, können Sie Ihre Rolle tauschen. Indem Sie
die Person (Rolle/Aufgabe) Jesus als kulturvernünftiger Ausdruck einer
schöpferischen Vernunft, so die Bedeutung der kirchlichen Dogmen und der
Christologie für die Zukunft in neuer Weise zu bedenken geben. Damit auch die
Säkularisierung der Moderne zu einem Perspektivenwechsel bewegen.
Nachdem
bisher die historische Kritik Ihre hoheitlichen Aussagen meist als persönliche
Glaubens- oder dogmatische Kirchenkonstrukte, Mythen
zur Verherrlichung eine Gutmenschen entlarven oder gar den historischen Jesus
in Frage stellen wollte, hätten sie die Chance, dessen menschliche Person/Rolle
zum Thema zu machen.
Denn während
die vielfältigen Vernunftinterpretationen der Antike recht abstrakt blieben.
Die Mythengötter weiter Gegenstand des Volkskultes und die Vielzahl von
anfänglichen, heute als urchristlich geltenden Lehren recht verworren und
gegensätzlich waren. So scheint erst die klare, an das allegorisch verstandene
Alte Testament anschließende Ausdrucksweise der anfänglichen Kirche, wie sie
von den Nachfolgern Konstantins verordnet wurde, im Wandel vom Mythos zum Logos (Vernunftlehre
anfänglich rationaler Welterklärung) die Erneuerung des bildlosen, nun
universalen Monotheismus bewirkt zu haben.
Können wir
weiter wie bisher den Vätern von Kanon und Kirche, ebenso wie den einem in
kosmischer Ordnung begründeten Monotheismus anhängenden Kaisern und den sehr
vielfältigen und philosophisch argumentierenden Denkrichtungen des Anfangs, die
erst nach der kaiserlichen Wende zur katholischen Kirche wurden und weiter heftig
über das Wesen des in anfänglicher Wissenschaft wahrgenommen Logos
diskutierten, unterstellen, sie hätten einen jungen Juden zu einer Art Gott
erhoben oder ein göttliches Kirchengebilde entworfen?
Wenn Sie
anregen, auf Grundlage heutigen Wissens um die Geschichte, wie der biblischen
Geschichten konsequent weiterzudenken, werden Sie die großartige Geisteswende
deutlich machen, die erst von der kulturvernünftigen menschlichen
Ausdrucksweise der am Anfang unserer Wissenschaft im monistischen Weltbild
realisierten kreativen Logik ausging. (Die eine verjüngte Form von jüdischer
Weisheit/Wort bzw. Josua, griechisch Jesus war). So können Sie den Anstoß zu einem völlig neuen Paradigma geben: Eine
Versöhnung der Weltbilder, die den christlichen Glauben, seine vernünftige
Grundlage und Bedeutung aus neuer Perspektive denken lässt.
3. Das menschliche Jesusbild nicht aufgeben, sondern
dessen Vernunft begründen
Gerade in
Ihrem neuen Jesusbuch ist mir aber auch wieder bewusst geworden, welches
Ansinnen es ist, von Ihnen zu verlangen, einen hinter allen heutigen Lehren
stehenden Zweibeiner in Frage zu stellen. Doch nur Sie können den Intellekt
auffordern, im wissenschaftlich erklärten Lebensfluss den zu realisieren, der
im Bild des Kindes in der Davidstadt in der Krippe lag und in menschlicher
Ausdrucksweise wahrer König des bildlosen jüdischen Kultes war. Denn führt
daran ein Weg vorbei, wenn wir im schöpferischen Wandel den christlichen
Glauben und seine Bedeutung für die moderne Welt begründen wollen, ohne das
Jesusbild aufzugeben, das die westliche Welt bis zur Aufklärung getragen hat?
Kann nicht so erst deutlich gemacht werden, welche Bedeutung die Lehre hatte,
der wir trotz aller Wirren letztlich erst Wohlstand und Wissen verdanken?
Das wachsende Wissen um die Entstehung der Bibel, wie
die theologische Bedeutung der neutestamentlichen Texte und gleichzeitig die
vielfältigen Wurzeln unseres christlichen Glaubens, der sich realgeschichtlich
aus verschiedenen Erneuerungsbewegungen formte, machen es m. E. erst möglich,
mit bisherigen Tabus zu brechen.
Wir können
doch nicht weiter davon ausgehen, Kirchenväter wie Justin, Origenes,
aber auch Irenäus und später der von Ihnen hochgeschätzte Augustinus, hätten
eine intellektuelle neuplatonische Philosophie bzw. Vernunftlehre mit einer
Verherrlichungsrede für einen jüdischen Heilsprediger getauscht, wie es an
heutigen Hochschulen letztlich als einzige Hypothese gilt. Kann man den
vielfältigen anfänglichen Erneuerungs- bzw. Denkbewegungen wie Marcion, Donatisten, Arianäern oder Manichäern (die das Heil in Wissen und
Erkenntnis sahen) und sonstigen mit der Kirche in Diskussion stehenden Lehren,
die sich aber ursprünglich auf Jesus Christus bezogen, als „christlich“ galten,
weiter unterstellen, es wäre ihnen nur um einen hingerichteten Wanderprediger
als wiedererweckten Gott gegangen? Wie können wir annehmen, die sich jüdisch
verstehenden Denker am Anfang der Kirche, die die von den Prinzipien des
natürlich Werdens ausgehende Gottessohnslehre der
Apologetik in der antiken Bildungsmetropole Alexandrien aufgriffen und sich mit
der damaligen Welterklärung auseinandersetzten, sie wie Basilius oder Gregor
von Nyssa als „Genesis“ interpretierten, hätten über
das Wesen des Logos diskutiert und dabei einen Heilsprediger im geheimnisvollen
Dogma zu einer Art Gott gemacht?
Um der von Ihnen vertretenen schöpferischen Wirklichkeit
auch heute gerecht zu werden, das bildlose
monotheistische Schöpfungsbewusstsein auf kreative Weise weiterzuentwickeln,
bedarf es Ihres Anstoßes. Ich denke, dass sich von heutigem Wissen aus selbst die anfänglichen
Diskussionen fortsetzen, die Bedeutung der kirchlich trinitarischen Wahrheit,
auch gegenüber sich vom alten Glauben abgrenzenden Lehren, alter wie moderner
Vergottung der Vernunft selbst oder dualistischen Weltbildern belegen lassen.
Selbst warum die menschlich-kulturgerechte Seite schöpferischer Vernunft in
Jesus kein Scheinleib war, sondern nur die kanonischen Geschichten Geschichte
schrieben, im evolutionären Verlauf der kreativen Kulturentwicklung
Tauglichkeit bewiesen, liegt auf dem Tisch geschichtlicher Tatsachen.
Warum sollen wir in Mythenglaube zurückfallen oder uns
auf schriftgelehrte Dogmen berufen, wenn das, was am
Anfang als „ewiger Sohn“ bzw. „Wort“ verstanden wurde lebt, unserem Sein heute
wieder eine ganz natürliche kreative=schöpferische Bestimmung gibt, die über
Materialismus und Naturalismus hinausgeht?
Warum sollte
sich der inzwischen belegte, von Physikern in Theorien des Alles kausal
erklärte Sinn und Zweck der kreativen (schöpferischen) Natur nicht als das
nachdenken lassen, was in der Bibel steht: Damals als ewiges Wort verstanden
und in kulturvernünftiger Gestalt ausgedrückt bzw. verschriftet wurde?
4. Im Weidewechsel zur Lebensweise in schöpferischer
Vernunft führen
Mir ist
klar, dass ein neues christliches Historien- und damit Glaubensverständnis
nicht automatisch zu einer schöpfungsvernünftigen Lebensweise jenseits aller
Relativität führen wird. Wie in der Antike, scheint hier allein die Erkenntnis
nicht zu reichen, sondern ist ein gemeinsamer, volksverständlicher Kult
notwendig, der kreativ an die alten Vorstellungen anknüpft. Doch während Ihnen oft vorgeworfen wird,
die Vernunft nach kirchlicher Lehre konservativ zurechtzubiegen, gar die
Aufklärung zurückdrehen zu wollen, könnte Ihr Vordenken dazu führen, die
Bedeutung der Kirche beim Weiterdenken und der Verwirklichung auch der
politischen Vernunft deutlich zu machen: Um das, was als ökologisch,
weltökonomisch oder sozial nachhaltig erkannt ist, als kreative =
“schöpferische“ Vernunftbestimmung zu verstehen und im aufgeklärten Kult zu
verwirklichen.
Warum die
Verkürzung des historischen Jesus auf einen besonders charismatischen Reformer
durch die bisherige Aufklärung zu kurz greift, brauche ich Ihnen gegenüber
nicht zu argumentieren. Doch ist es nicht zu wenig, einfach einen hoheitlichen
Christus wie ein mystisches Gottesbild neben einen historischen Heilsprediger
zu stellen und gleichzeitig über dessen Bedeutung als Vernunftbegründung des
Glaubens zu sprechen? Wenn sich der in
hellenistischer Philosophie erklärte Logos der Kirchenväter sowie Johannes und
der Christus des Paulus nicht weiter vom historischen Jesus der Synoptiker
trennen lässt. Und wenn in der Literatur der Katholischen Bibelgesellschaft die
Wissenschaftler jedes Wort und jeden Schritt und Tritt Jesus als
hochtheologische Aussage deuten. Wäre es dann nicht konsequent, das Denken
bei ihrem Deutschlandbesuch zu
ermutigen, in neuer Weise über eine universale Neubegründung des Monotheismus
im echt verjüngten jüdischen Bund nachzudenken?
Um Ostern wahr werden zu lassen,
die vernünftig erklärte Welt wieder als Schöpfungswort zu verstehen und ent“sprechend“ zu
leben, bedarf es keiner neuen wissenschaftlichen Erklärung oder deren
Rücknahme, sondern Ihrer Frage nach fortschrittlicher Realisierung „schöpferischer
Vernunft“.
5. Jesus in schöpferischer Vernunft zum Thema der
theologischen Aufklärung machen
Wenn heute
an katholischen Akademien Theologen und Naturwissenschaftler auf zeitgemäße
Weise im evolutionären Werden eine schöpferische Wirklichkeit bedenken wollen,
so geht das m. E. nicht, ohne sich auf Jesus bzw. die
christlich-monotheistische Wurzel zu beziehen: Doch bedeutet Ihr „Dominus
Jesus“ einfach ein Gottesbild, wie es heute z. B. in quantenmechanischen
Unerklärlichkeiten bewiesen werden soll und von dem dann keine Wirkung oder
Weisung ausgeht.
Wir dürfen
heute wissen, dass zur Zeitenwende weder von der Vergottung eines
Heilspredigers keine universale Neubegründung des jüdischen Monotheismus
ausgegangen sein kann, noch einem kirchlichen Gottesbild. Und, dass davon die
damaligen Denker bzw. Verfasser der vielfältigen Vorstellungen, die inzwischen
nicht nur den Kritikern als christlicher Ursprung gelten, ebenso wie die
Herausgeber des kirchlichen Kanons, nicht ausgegangen sein können.
Wir wissen
auch, wie die verschiedenartigen Vorstellungen der phil. Aufklärungs- und
jüdischen Erneuerungsbewegungen unbedeutend blieben, in phil. Pantheismus,
gleichzeitig Götterbilder verharrten oder gnostisch verworrener Vielfalt,
solange die Kirche nicht in klarer Sprache den Pfad der Propheten und Psalmen
aufgegriffen hatte. Teste, die nach derzeitiger Deutung in persischer Exilszeit aus kosmosbegründeten
Weisheitslehren hervorgegangen sind. Sie wissen weit besser als ich, wie der
Streit um das Wesen des Logos das Thema der gesamten frühkirchlichen
Diskussionen war, erst die einheitliche kirchliche Lehre ein universales
Verständnis ermöglichte, das die alten Vorstellungen nicht einfach verneinte,
sondern integrierte.
Warum schließt es sich daher aus, die in antiker
Aufklärung vielfältig definierte „schöpferische Vernunft“ als Ausgangspunkt zu
denken und damit auch heute einen aufgeklärten Glauben jenseits aller
religiösen Relativität zu begründen? Und was spricht gegen die Realisierung dieser
kulturgerecht weiterzudenkenden kreativen = „schöpferischen“ Logik, über heute
weitgehend wirkungslos bleibenden Humanismus, Evolutionismus, Ökologismus hinaus. Indem dabei das altbekannte Bild des
Jesus mit Bart auf(geklärt) verstanden und schöpferische Vernunft gelebt wird:
Auferstehung Jesus?
6. Statt vergebliche Gottesbeweise gegenwärtige
Vernunft als Offenbarung
Warum muss
weiter nach Gottesbeweisen oder nach einem Designer gesucht werden, wenn sich
Christen auf das offenbare lebendige Wort berufen: Einen Sohn, der einzig auf
den im philosophischen Sinne personalen
(eigene Rolle/Aufgabe) sonst unsagbaren Urgrundes der Väter verweist, von dem
alle Vernunft ausgeht und der nach den Propheten war, was er sein wird?
Warum ist in
wissenschaftlicher Welterklärung, deren Vernunft bereits für den noch zum
Pantheisten abgestempelten Einstein eine Selbstverständlichkeit war, nicht im
kulturellen Weiterdenken eine „schöpferische Sprache“ zu verstehen?
Warum müssen wir in einer den Gnostikern vorgeworfenen
verworrenen Geheimsprache verharren, in Mythenglaube verharren, wenn der
historisch-hoheitliche Jesus heute wieder in Vernunft zu verstehen ist?
Auch wenn
Prof. Alois Grillmeier, der Ihnen noch als Kardinal Ratzinger seine fünfbändige
wissenschaftliche Ausarbeitung „Jesus Christus im Glauben der Kirche“, über die
ersten Jahrhunderte der Glaubensgeschichte widmete, noch von einem historischen
Heilsprediger ausgegangen ist. Gerade seine Untersuchung der frühen Apologetik
und der verschiedenen Kirchenkonzile, der Auseinandersetzung mit zahlreichen
inzwischen als anfänglich christlich anerkannten, jedoch als Häresie aussortierten
Denkweisen, hat mir wieder deutlich gemacht, welche Vernunft in der Kirche war:
Wie der klare, an bekannte Gestalten und Geschichten anknüpfende Ausdruck der
Vernunftlehre am Anfang unserer Wissenschaft, die wir aus dem Kanon der Kirche
kennen, erst messianische Wirklichkeit war: Wie so erst eine Wende bewirkt
wurde, die in abstrakten oder philosophischen Ausdrucksweisen, die teilweise
dualistisch blieben oder den alten Gottesbegriff verneinten, nicht gegeben war.
Weiter zu
begründen, warum auch nicht eine der an anfänglichen Diskussion teilnehmenden
Denkweisen, weder Doketisten, Monolisten oder
philosophisch bleibenden Monisten, sowenig wie z. B.
Justin, der die menschliche Ausdrucksweise der Vernunft in Jesus, ähnlich wie Origenes gegenüber den abstrakten Philosophien verteidigte,
nur einen jungen Juden vergottet hätten, kann ich mir Ihnen gegenüber ersparen.
Doch im Wissen um kollektive Kommunikation, die kreative Entwicklung unserer
Kultur und deren Ergebnissen (Evolutionslehrer sprechen von Tauglichkeit, ich
ergänze „schöpferische Vernünftigkeit“) lässt sich heute deutlich machen, warum
die Jesusgestalt, die nicht nur bis zur Aufklärung die westliche Welt getragen
hat, sondern ohne die die Aufklärung undenkbar wäre.
7. Die Krisen der Welt verlangen nach schöpferischer
Vernunft
Gerade ein „concilium“ zum Thema „Ökotheologie“, in dem kath.
Wissenschaftler vergeblich die Bibel absuchen, um die ökologische Lebensweise
zu begründen, machte mir deutlich, dass sich mit der Schrift allein kein Glaube
und keine Verhaltenslehre mehr rechtfertigen lässt. Auch die Ausflüchte in
feministisch- oder befreiungstheologische Ansätze, in fremde ganzheitliche oder
kosmosbezogene Glaubensformen, wie bei Bischof Prof.
Leonardo Boff, bleiben ebenso bedeutungslos,
wie die Berufung auf Mystiker oder einen nur symbolisch bzw. als gestrige
Metaphysik gesehenen Logos. Ich bitte sie daher den Anstoß zu geben, den sog.
kosmischen Christus mit dem historischen Jesus und gleichzeitig einer
schöpferischen Logik/ Vernünftigkeit allen wissenschaftlich erklärten
evolutionären Werdens zusammendenken. Um daraus auch eine schöpferische
Verantwortung abzuleiten, die alle Lebensbereiche umfasst.
Denn nicht
allein die ökologische Entwicklung, auch viele technisch bedingte oder sonstige
gesellschaftliche Katastrophen, die sich bei verant-wort-licher
Verhaltensweise vermeiden ließen und insbesondere die globalen
Wirtschaftsentwicklung oder Schuldenkrise zeigen, dass uns eine Vernunft fehlt,
die nicht menschlicher Selbstherrlichkeit und Kurzsicht folgt. Wenn nach einem
über kapital- und konsumegoistische Gier hinausgehenden Gemeinsinn, d.h. nach
einer gemeinsamen schöpferischen Vernünftigkeit selbst bei Konferenzen gerufen
wird, wo bisher nur die weltwirtschaftliche oder weltpolitische Vernunft galt,
ist dann nicht auch die Kirche gefragt?
Damit Ihre in der Osterandacht versprochene Fürsprache
gegenüber Petrus und Paulus fruchtbar wird, bitte ich Sie, das Denken der Welt
aufzufordern, in neuer Weise über die Wurzel des christlichen Glaubens als
Weiterführung philosophischer Vernunft in Trinität nachzudenken. Der Vorwurf der Vergottung eines
Menschen bzw. der Abkehr vom Monotheismus, der dem christlichen Weltbild bisher
von den Glaubensgeschwistern gemacht wurde, verwandelt sich dann in eine
gemeinsame Glaubensbegründung bzw. die aufgeklärten Wahrnehmung der
monotheistischen Wurzel im mündig-universalen „Schma
Israel“.
Wer sonst als Sie kann eine solche aufklärte Ökumene als
Beitrag zum echten Weltfriede und einer mündigen schöpferischen Verant-wort-ung bzw. Lebensweise freier Menschen anstoßen?
Was der sog.
„Neue Atheismus“ nur in einer Verneinung des Glaubens sucht und oft auch in
kirchlichen Kreisen durch dessen Verkürzung in den rein persönlichen Bereich
gesehen wird, kann m. E. nur durch Glaubensaufklärung erreicht werden, die sich
auf einen globalen, gemeinsam gültigen Grund beruft. Nicht ein übernatürliches Geschehen, sondern Ihre Aufforderung an die
Aufklärung, das heute gegebene Wissen konsequent, unvoreingenommen von
bisherigen Lehrhypothesen auszuwerten, kann Wunder bewirken: Vergegenwärtigung
schöpferischer Wirklichkeit auch im Alltag unserer Kultur.
Warum soll
so der Monotheismus nicht wieder frei von Intoleranz und Gewalt als
höchstentwickelte Form des Weltbewusstseins verstanden werden? Auch wenn sich
eine erneute Unterscheidung von vermenschlichten, buchstäblichen oder
persönlichen Gottesbildern und mystischer Glaubensbegründung sicherlich nicht
vermeiden lässt. Die Verschiedenheit der heutigen Glaubensvorstellung braucht
nicht verneint zu werden. Vielmehr sehe ich von schöpferischer Vernunft
ausgehend die christliche Mission darin, die jeweilige Vernunftgrundlage – auch
der weisheits- oder kosmosorientierten östlichen
Denkweisen - und die Vernunft der kulturellen Verschiedenheit zu begründen.
Warum die christliche Lehre kein Hirngespinst oder ein
kirchliches Konstrukt, sondern eine Vernunftlehre war und ist. Hierzu den
Anstoß zu geben, bitte ich Sie von ganzem Herzen.